Außerirdische Klausur

Mitten im Leben

Als 1992/93 an verschiedenen Orten in Europa James Turrells Perceptual Cells in einer Einzelausstellung vorgestellt wurden, trauten manche ihren Augen nicht. Wer seine Arbeiten kannte, erwartete unauffällige, auf das Notwendige reduzierte Räume, in denen alles auf die Erscheinung des Lichtes ausgerichtet ist. Schon das Äußere dieser in Museen und Ausstellungen eingebauten Konstruktionen ist schlicht, sachlich. Der Besucher nimmt nur eine dunkle Öffnung in der Wand wahr, die den Weg zur eigentlichen Sensation weist. Das Betreten dieser Räume, der Aufenthalt in ihnen und die allmähliche Einstellung auf die sich entfaltenden Lichtphänomene spielen sich in einer Atmosphäre hoher Abstraktion ab.  Ohne Ablenkung durch andere Bilder, ohne Einweisung wird man direkt auf das Erlebnis des Lichts als räumliche Erscheinung und Stoff eigener Qualität hingeführt. Ohne Umschweife steuern die Arbeiten so eine essentielle Erfahrung an, in der alle äußeren Umstände wie abgeschnitten sind.

Anders die Begegnung mit den Perceptual Cells. Kammern und Apparate verbreiten eine Stimmung, die auf den ersten Blick irgendwo zwischen Industriemesse, Versuchslabor, High-Tech-Medizin und Science-Fiction-Kulisse abgesiedelt ist. Die Einpersonencontainer und Miniarchitekturen geben sich als Vorrichtungen zu erkennen, die nach bestimmten Regeln benutzt und bedient werden können. Sie ahmen zudem alltägliche Objekte wie z. B. Telefonzellen nach oder spielen auf Formen traditioneller Baukunst an. Es gibt Standzellen mit schweren Türen, in denen eine Person gerade eben Platz hat, und wo der Kopf in einer Art Lichthelm verschwindet. Ein Panikverschluss wurde nicht vergessen. Eine andere Arbeit erhebt sich als schallisolierter Block über einem Podest. Im Innen soll der Besucher auf einem bequemen Stuhl bis zu mehreren Stunden in völliger Dunkelheit sich dem nur scheinbaren Antipoden des Lichtes aussetzen. Wenn man sich solchen Konstruktionen nähert, werden einem, noch bevor das Licht selbst ins Spiel kommt, interessante Objekte zur Erkundung angeboten. Die Dingwelt mit  ihren Widererkennungswerten und die Weite der von ihr ausgelösten Assoziationen besetzen gleichsam den Eingang zum Reich der reinen Erscheinung und konzentrierten Erfahrung. Selbst das Ironische ist nicht ausgespart und gipfelt in einem veritablen Friseursalon mit Verkaufsvitrinen, in denen alte Glühlampenmodelle präsentiert werden, und mit Trockenhauben, die zu individuellen Lichtkuppeln umfunktioniert sind (Mind Set / Düsseldorf Light Salon, 1991-1992). In der erwähnten Ausstellung war selbst das Warten vor den einzelnen Arbeiten als bewusst gestaltetes Ritual in die Inszenierung einbezogen: „Ich mag Situationen, in denen man alle Zeit hat, die man sich wünscht [...]“ (J. T.) 1

Hinter diesem Ausflug in die konkrete Welt der Apparate, erzählenden Formen und Inszenierungen stehen u. a. Turrells Erfahrungen in einem Laboratorium der Garrett Aerospace Corporation im Zusammenhang mit dem Art and Technology Programm, das vom Los Angeles County Museum of Art organisiert worden war (1968-69). Dieses zeittypische und ambitionierte Vorhaben war gestartet worden, um Künstlern die Möglichkeit zu geben, mit Wissenschaftlern und Technikern an gemeinsamen Projekten zu arbeiten und deren Labore und Werkstätten zu benutzen. Es mündete 1971 in einer Ausstellung.2 Turrell hatte zusammen mit dem Künstler James Irwin und dem physiologischen Psychologen Edward Wortz Experimente mit Techniken der sensorischen Deprivation, also des Entzugs von Außenreizen, durchgeführt. Ziel war die Verbindung eines totalen, homogenen Gesichtsfeldes mit einem schalltoten Raum. Über das konkrete Vorhaben hinaus war die Arbeit in diesem Programm von grundsätzlicher Bedeutung für Turrell, da er schon im Verlauf seiner vorausgehenden Forschungen auf die Notenwendigkeit einer engeren Verbindung der zwei sonst so getrennten Kulturen von Naturwissenschaft einerseits und Geisteswissenschaft/Kultur andererseits gestoßen war. Es ist nicht nur das Ambiente der dortigen Versuche, sondern auch die experimentelle Isolierung einer Erfahrung, die auf die Perceptual Cells ausgestrahlt zu haben scheinen. Ein zweiter Aspekt hinter dieser Werkreihe ist das Bedürfnis, neben den stationären Lichträumen mobile Einheiten zu schaffen, die leichter in das Betriebssystem der Kunst eingepasst werden können. Schließlich soll dem Betrachter der Einstieg in die essentielle Erfahrung des Lichtes durch deren Anbindung an lebensweltliche Erfahrungshorizonte geebnet werden.

Zwischen Labor und Urform

Ändern sich nun in den Perceptual Cells die Koordinaten des Lichterlebnisses gegenüber den anderen Raumarbeiten des Künstlers? Der „Behandlungsraum“ (operation room) von Alien Exam (1989/92) ist schon allein deshalb besonders interessant, weil er neben dem Probanden eine zweite Person ins Spiel bringt, die die Lichtphänomene steuert. Die erstmals 1989 installierte Arbeit erhielt 1992 ihre äußere Gestalt in Form einer sechseckigen Kammer mit halbkugeliger Kuppel und spitzem Dach. Sie erinnert ein wenig an abgesonderte, medizinische Untersuchungsräume, in ihrer stereometrischen Form aber auch an Kultbauten älterer Zivilisationen. Dieses eigentümliche Oszillieren zwischen einem zeitgenössischen, wissenschaftlich-technischen Kontext und einer archaischen, symbolisch-spirituellen Anmutung wird noch deutlicher, wenn man zwei weitere Arbeiten aus der Werkreihe der Perceptual Cells betrachtet. 1993 entsteht Gasworks, eine imposante, Raum füllende Anlage aus mehreren Komponenten und Apparaturen. Zwei Betreuer in weißen Laborkitteln weisen die Versuchsperson ein und steuern die Maschine. Ähnlich wie bei einem Kernspintomographen wird die Person liegend in eine große Kugel hinein gefahren, um dort die Lichterscheinungen als ein nicht nur die Augen, sondern den ganzen Körper umhüllendes und beeinflussendes Erlebnis wahrzunehmen. Im äußeren Aufbau der Arbeit herrscht reine technische Funktionalität. In einer Reihe von Modellen dagegen (1988-1991), deren genaue Ausführung Turrell allerdings nie beabsichtigte, gibt es zahlreiche Bezüge zu antiken, frühchristlichen, orientalischen und präkolumbianischen Bauten, aber auch zu den utopischen Entwürfe der so genannten Revolutionsarchitektur um 1800 (Boulée Boola, 1988). Alle diese Gebäude zeichnen sich durch eine auf wenige Elemente reduzierte, strenge Kombination geometrischer Grundformen aus. Das Modell Alien Exam II (1990) zeigt die gleiche Verbindung von Sechseck und Kuppel wie die ausgeführte Arbeit. Auf einem hohen runden Podest, das nur über mehrere Stufen erreicht werden kann, steht anstelle der funktionalen Liege ein massiver Tisch. Die Assoziation an einen Altar bzw. eine Opferstätte ist mehr als deutlich.

Eine Verbindung zwischen der sachlichen Präsentation technischer Apparate und den mythisch konnotierter Primärarchitekturen stellt die Welt der Sience Fiction dar. Weite Teile der Kultur der 1960er Jahre waren auf die eine oder andere Art auf experimentelle Expansion gerichtet, seien es durch Drogen ermöglichte Entgrenzungen (Psychedelik), Adaptionen des Underground, Cross-Gender, egalitäre bzw. kommunitäre Lebensformen, oder interdisziplinäre Versuche zwischen Kunst und Wissenschaft wie beim Art and Technology-Programm. Turrell selbst hat in diesem Zusammenhang die Analogie seines Tuns mit der damals populärsten Form avancierter Technologie ausdrücklich bestätigt: „Wir drei [er, Irwin und Wortz] werden zu Intranauten, die den innern anstelle des äußeren Raums erforschen.“3 In der gleichen Zeit, als er im Laboratorium der Garrett Corporation arbeitet, erscheint Stanley Kubricks Filmklassiker 2001 – Odyssee im Weltraum. Es lassen sich konkrete Vergleiche zwischen dem Film, den Experimenten im Laboratorium und Turrells Werk im allgemeinen ziehen, die sowohl die Desorientierung im Raum und die daraus folgende Beobachtung der eigene Wahrnehmung als auch das Miteinander von technoider Gerätewelt und minimalistisch-esoterischen Formen betrifft.4 Dabei hat es jedoch den Anschein, als ob bei ihm wie bei anderen Künstlern der Zeit den futuristischen Anspielungen immer auch eine Portion Ironie beigemischt ist. Zwei Jahrzehnte später, als die Perceptual Cells entstehen, verweist Turrell offen darauf.5

In Behandlung

Das kleine Gebäude von Alien Exam ist eine Holzkonstruktion mit einer Fiberglaskuppel. Es hat eine Breite von knapp und eine Höhe von etwas mehr als dreieinhalb Metern. 6 Der, der sich dem Experiment unterwirf, betritt es durch eine Tür, die hinter ihm geschlossen wird. Er trifft auf eine Person im weißen Kittel, die an eine Laborantin oder eine medizinisch-technische Assistentin erinnert und ihm sagt, was zu tun ist. Durch zwei längliche Fenster können Dritte das Geschehen im Innern verfolgen. Dort befindet sich auf einem Podest eine Behandlungsliege, die nach oben fährt, so dass der Kopf des Probanden in eine kreisrunde Aussparung in der Decke gehoben wird. Er blickt in eine Kuppel, wo sein gesamtes Gesichtsfeld von dem dort herrschenden Licht ausgefüllt ist. Es entsteht schnell ein leichtes Gefühl des Ausgeliefertseins, denn was nun geschieht, wird nicht vom Betrachter bestimmt, sondern von der Assistentin, die an einem Steuergerät das Mischungsverhältnis von rotem und blauem Licht im Rahmen gewisser allgemeiner Hinweise des Künstlers frei verändert. Im Gegensatz dazu hat man es in den meisten Rauminstallationen mit einem statischen Phänomen zu tun, und die Veränderungen des Lichts sind allein auf die langsame Adaption der eigenen Wahrnehmung an die gleich bleibenden Lichtverhältnisse zurück zu führen. In den Sky Spaces wiederum verändert sich zwar das einfallende Tages- oder Nachtlicht, aber man weiß sich einer natürlichen, gleichsam gesetzmäßigen Erscheinung gegenüber. In einigen der Perceptual Cells wiederum kann man das Licht selbst manipulieren und befindet sich so in der Situation eines kontrollierten Selbstversuchs. Bei Alien Exam jedoch kommt ein interaktiver, ein interpersoneller, ein psychologischer Aspekt hinzu. Man ist nicht nur Beobachter des Lichts, sondern in nuce außerdem Zuschauer einer Art von Aufführung, die in unvorhersehbarer Weise von jemand anderem gelenkt wird. Ob man nun das „Lichtspiel“ still über sich ergehen lässt oder während der „Sitzung“ mit der anderen Person kommuniziert, das Sich-Überlassen an die Phänomene und die eigenen Reaktionen werden begleitet vom Bewusstsein der sozialen und psychologischen Situation, in der man sich befindet. Was man in Alien Exam sieht, bekommt dadurch auch eine gleichsam narrative Dimension. Man erlebt im Wechsel der Farben und der Intensität des Lichts die Dramaturgie eines anderen, einen Ablauf, dem man unwillkürlich einen Sinn unterstellt, den es zu entdecken gilt. Ähnlich wie die Anspielungen in den äußeren Formen der Perceptual Cells stellen auch diese Aspekte von „Inszenierung“ eine Anbindung an lebensweltliche Erfahrungen dar. Das Geschehen in dieser Zelle bleibt immer recht konkret, man kann Parallelen zu vergleichbaren Situationen ziehen, sei es zur Lichtregie im Theater oder zum Film oder zum Ablauf einer apparativen medizinischen Behandlung. Die meisten anderen Lichtinstallationen des Künstlers dagegen isolieren und abstrahieren das Erlebnis weit stärker, sie versetzen den Betrachter gleichsam unmittelbar in ihr Lichtreich.

Trotz dieser „Ablenkungen“, die den Charakter des Experiments hervorheben und das Erlebnis in der physischen und sozialen (Alltags-)Realität verankern, fallen schließlich die Außenwelt, die Kammer, die Apparaturen, die andere Person und dann auch die stoffliche Beschaffenheit der Kuppel, in die man blickt, zurück. Übrig bleibt die Sensation eines gleichmäßigen, das Sehen und schließlich das Bewusstsein völlig umhüllenden Lichtes. „Ganzfeld“ nennt die Wissenschaft einen solchen Sehzustand. Der Blick auf ein völlig undifferenziertes, einheitliches Farbfeld, in dem keine Form sich vom Umraum abhebt und sich nichts bewegt, das kein Zentrum und keine Ränder kennt, löst einen Effekt aus, bei dem das Gehirn das sich nicht verändernde Signal schließlich abschaltet und man gleichsam „schwarz sieht“. 7 Eigentlich handelt es sich um einen extremen Entzug von Außenreizen, der Beunruhigung, zumindest jedoch Desorientierung hervorbringt, auch wenn er reversibel ist: Jede Veränderung im Gesichtsfeld bringt das gewohnte Sehvermögen zurück. Der Effekt kann natürlicherweise z. B. im arktischen Schnee auftreten, aber auch als „Weiße Folter“ gezielt gegen Menschen eingesetzt werden. Eine milde Form dieser Deprivation findet beim so genannten Ganzfeldexperiment in der Parapsychologie statt, mit dem die Existenz von telepathischen Phänomenen nachgewiesen werden soll. Nun ist ein Lichtraum von Turrell natürlich schon von der Sache her weit von solchen Absichten und Wirkungen entfernt. Dennoch bleibt der Hinweis sinnvoll, weil er zeigt, dass auch er sich einer nicht-normalen, einer manipulierten Situation bedient, um das volle Potential von Licht, Raum und Wahrnehmung zur Geltung zu bringen. Die Auseinendersetzung mit einer Arbeit des Künstlers verlangt – in unterschiedlichem Maße – die Bereitschaft, sich auf meist noch unbekannte Dimensionen der eigenen Wahrnehmungsfähigkeit und somit auf Selbstbeobachtung einzulassen. Prinzipiell setzen seine Arbeiten beim Betrachter jedoch keine größere Auslieferung an ihre Erscheinung voraus als andere Kunstwerke auch. An einem bestimmten Punkt der Annäherung legt jedes Kunstwerk ein gewisses Absehen von der eigenen Autonomie und Integrität nahe.

Der Ort der Wahrnehmung

Nach einiger Zeit gewöhnt man sich in Alien Exam an das homogen vom Licht ausgefüllte Gesichtsfeld. Über eine anfängliche Orientierungslosigkeit hinweg gleitet man in eine Art ortloses Sehen hinein, bei dem sowohl die Referenzpunkte in der betrachteten Umgebung als auch die in einem selbst, d. h. die Einbettung des Sehens in den Körper, wegfallen bzw. weit in den Hintergrund treten. Es ist ein wenig so, als ob man nur noch Auge und Gehirn wäre und zwischen beidem kaum noch unterscheiden könnte. Was sich nun entfaltet, sind Farbsensationen, die höchstens den Bildern, die man in bestimmten Rauschzuständen erlebt, nicht aber den Farberscheinungen in der Dingwelt vergleichbar sind. Die Modulationen von einer Farbe in eine andere und der Wechsel in der Sättigung der Farben brechen sich an keinerlei Objekten, ja, gehen sozusagen stofflos vonstatten. Nirgendwo ein definierter Übergang, keine Zwischenzonen, keine Formveränderung. Auch die Sprache reicht nicht aus, die einzelnen Farben zu benennen, da sie jenseits alltäglicher Erfahrung rein, intensiv und gleichzeitig unendlich differenziert sind. Unabhängig davon, wie schnell oder wie langsam die Farben wechseln und wie sie aufeinander folgen, das zentrale Erlebnis ist das eines autonomen Lichtkontinuums, dem man kaum mit Begriffen, sondern nur mit der eigentümlichen und hier völlig freigesetzten Tätigkeit des Gehirns, die man Sehen nennt, folgen kann. Leise drängen sich hier und da Erinnerungen an Bilder aus Natur oder Kunst in die Betrachtung des Lichtraums, und einige werden vielleicht Analogien zu akustischen Phänomenen, zu musikalischen Entwicklungen, spüren. Auch die mit dem Gesehenen in Beziehung gebrachten Stimmungen, von meditativer, schlafnaher Ruhe bis zu dramatischer Bewegung, sind letztlich jedoch nur Versuche, das reine Sehen an andere, bekannte Faktoren rückzukoppeln, um der Zumutung dieser ebenso isolierten wie unendlich offenen Erfahrung einen Ort zu geben.

Wer sich eine viertel Stunde oder länger in Alien Exam aufhält, beginnt zu erkennen, dass er selbst dieser Ort ist. Er ist nicht mehr Zuschauer in einem Theater, sondern sein Sehen, Empfinden und Denken selbst ist die Arena des Erlebnisses. Über ein naives Staunen hinaus fängt er an, sich selbst beim Sehen zu beobachten, seine physiologischen und psychologischen Reaktionen zu registrieren. Immer in direkter Verbindung zum Stoff des Lichtes, der zugleich Gegenüber und Medium dieser Erfahrung ist, lernt er in dieser „Auszeit“, die das Experiment gestattet, ein Stück von sich selbst kennen, wie es ohne den Apparat wohl nicht möglich wäre. Der Werktitel „Außerirdische Klausur“ verliert dann seine leicht ironische, pop-kulturelle Färbung und erscheint als ziemlich genaue Beschreibung des Vorgangs.

Turrell betont immer wieder, dass sein Interesse bei allen Arbeiten der materiellen Erscheinung des Lichts gilt und nicht seinen symbolischen oder spirituellen Dimensionen. Er weiß selbstverständlich, dass sich solche Aspekte bei den Betrachtern seiner Arbeiten einstellen können, ja, dass sie sie in diesem Sinne interpretieren. Und sicher leistet zumal ein gewaltiges Projekt wie Roden Crater mit seiner Einbettung in Natur, Kosmos und indianische Kultur solchen Deutungen Vorschub. Im Kern jedoch ist das nicht die Absicht dessen, der die Konstruktionen bereitstellt, die die Lichterfahrungen ermöglichen. Weitergehende Sinnstiftungen sind vielmehr eines der möglichen Ergebnisse der Selbstbeobachtung der Betrachter in Anwesenheit des Lichts. Die Perpetual Cells sind in diesem Zusammenhang entgegen dem ersten Eindruck womöglich eine besonders „reine“ Demonstration der Kernidee des Künstlers, gerade weil sie unverhohlen als Experiment in Erscheinung treten. Ihr sachlicher, in die Lebensrealität eingebundener Charakter isoliert das Lichtgeschehen in der beinahe klinischen Situation einer Untersuchung, einer Recherche. Hier kann man den Rohstoff des Turrellschen Umgangs mit dem Licht erfahren. Alles Weitere liegt in der Verantwortung des Probanden.

1 „Es gibt niemals kein Licht ... selbst wenn alles Licht erloschen ist, kann man es doch fühlen“, Interview mit Allison Sarah Jacques, in: Ausstellungskatalog „James Turrell – Perceptual Cells“, Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen, Düsseldorf 1992, S. 60

2 „Art & Technology: A Report on the Art & Tehnology Program of the Los Angeles County Mueum of Art“, Austellungskatalog Los Angeles County Museum of Art, Los Angeles und New York 1971

3 William Wilson, „Two California Artits Are Busy Exploring Inner Space“, The Los Angeles Times, 11 May 1969, Section D, S. 2

4 Siehe: Craig Adcock, „James Turrell. The Art of Light and Space“, Berkeley – Los Angeles – Oxford 1990, S. 76-77

5 „Es gibt niemals kein Licht ..., S. 56-70 passim

6 Das Architekturmodell Alien Exam II mag in gewisser Weise Turrells Idealvorstellung der Arbeit formulieren. Dennoch sind die größeren oder kleineren Unterschiede bei den verschiedenen Ausführungen der Arbeit im Laufe der Jahre von geringer Bedeutung. Man muss sie Perceptual Cells wohl im weitesten Sinne als konzeptuelle Installationen bezeichnen, deren wesentliche Eigenschaften und Elemente zwar festgelegt sind, die jedoch bei Widerverwendung z. B. der technischen Elemente jeweils neu realisiert werden. Es gibt keine Frage nach einem Original, sondern nur nach die nach einer dem Konzept möglichst adäquaten Umsetzung.

7 Ramesh, B., „Ganzfeld Effect“, http://www.shvoong.com/exact-sciences/biology/1671...


(Published in: James Turrell – Geometrie des Lichts / Geometry of Light, Zentrum für internationale Lichtkunst, Unna; Hatje Cantz Verlag, Ostfildern, 2009, pp. 55-67)