Nichtstun als Möglichkeit wozu?

Einfach nur sitzen und auf den See schauen ist auch ein Zweck. Einfach in Ruhe auf einen Baum gucken, ist eine echte Notwendigkeit. Man kann nicht immer nur Bilder gucken, die einen anraunzen oder nervös machen.

T. S.

Von der Straße aus nicht einsehbar, im Rücken eine Felswand, ringsum und dichtbei hohe Nadelbäume. Auf dem steilen Weg taucht es langsam über einem auf, jetzt eine Biegung nach links und man steht vor seiner Schmalseite auf einem kleinen Plateau, einer Terrasse. Dann am Haus entlang, schließlich vier einfache Stufen. Eine Tür in der auf allen Seiten umlaufenden Glaswand, kaum zu sehen: Ankunft im Ferienhaus T. Manche Häuser tragen die Namen ihrer Erbauer oder Bezeichnungen, die auf ihre Lage anspielen, mitunter lassen poetische Worte einen Wunsch oder eine Fantasie erkennen. Bei diesem Haus scheint es prosaischer zuzugehen. T könnte für Tirol stehen, denn in diesem österreichischen Bundesland liegt es. Wenn da nicht eine Vorgeschichte wäre, genauer gesagt ein Modell, mehrere Modelle. Neun Jahre früher baut Thomas Schütte eine Reihe von Ferienhäusern für Terroristen im Maßstab 1:20. Es darf spekuliert werden, ob der Titel eine ernsthafte oder eine ironische Empfehlung an Terroristen ist. Haben wir nicht immer davon gehört, wie wichtig Rückzugsräume für diese Kämpfer sind? Aber wer ist eigentlich gemeint? Der landläufige, politisch motivierte Untergrundkrieger oder vielleicht eine ganz andere (allerdings ehemalige) Vorhut? Die rigorosen Grundfarben der Plexiglaswände und die irgendwie futuristischen Formen der Hausmodelle könnten auch an eine sarkastische Abrechnung mit dem Willen zur Macht der alles durchgestaltenden Moderne denken lassen. Ein Seitenhieb auf ästhetische Gesinnungsterroristen sozusagen, die glauben, das Leben müsse so und nicht anders eingerichtet werden.

Aber diese Fragen müssen nicht entschieden werden. Bei den summarischen Modellen von 2002 bleibt es nicht. Vier bzw. fünf Jahre später entstehen zwei detailliertere Modelle aus Metall. Bei dem im Maßstab 1:10 gibt es sogar eine Puppenstubeneinrichtung bis hin zum Feuerlöscher. Und mittendrin eine transparente Silhouettenfigur. Der schemenhafte Bewohner? Noch einmal zwei Jahre später kann man dann in einem weiteren Modell selbst herumspazieren. Der Maßstab hat sich auf 1:1 vorgearbeitet, es könnte ernst werden. Und dann meldet sich ein potenzieller Bauherr, der sich weder von den ominösen „Terroristen“ im Titel noch davon abschrecken lässt, dass der ins Auge gefasste Architekt ein Künstler ist. Ein Bauplatz ist auch schon vorhanden, eben in Tirol, in einer ausgemachten Feriengegend.

Schütte hat seit seinen Anfängen wie kaum ein anderer Künstler seiner Zeit das Modell, genauer das Architekturmodell, zu einer seiner Werkformen gemacht. Diese meist mit einfachen, mitunter improvisierten Mitteln gebauten Bilder wollen jedoch nicht Modelle im üblichen Sinn, d. h. Handlungsanweisungen für Anderes, Größeres sein. Sie entfalten ihre Wirkung vielmehr gerade in Folge ihres Eigensinns als Produzenten von mentalen und emotionalen Vorgängen. Sie operieren in einer Welt des Als-ob; es sind gleichsam dreidimensionale Bilder im Konjunktiv. Sie erzählen Geschichten und geben Anlass zu weiteren, nicht vorherseh- und kontrollierbaren Geschichten. Am Anfang stand zwar der gescheiterte Versuch der Errichtung einer funktionstüchtigen Konstruktion im Realmaßstab, der zur ersatzweisen Verfertigung eines Modells führte, das die ursprüngliche Idee als eigenständiges Kunstwerk vertrat. Die Frage der Realisierbarkeit steht bei den weiteren Arbeiten dieser Art jedoch höchstens im Hintergrund. Etwa im Sinn eines Was-wäre-wenn-Gedankens, der die Dramatik mancher Themen steigert. Man denke z. B. an die verschiedenen Bunkermodelle oder auf der eher idyllischen Seite an die diversen Künstlerstudios und -häuser. Die Vielfalt der Modelle und ihre unterschiedlichen Themen, die im Laufe der Jahre und schließlich parallel zum anderen Strang von Schüttes Arbeit, der figürlichen Plastik, entstehen, sind frei von irgendwelchen Verwertungszusammenhängen, sie stimulieren vielmehr ein ergebnisoffenes, bildliches Denken.

Die Freiheiten und gezielten Unwägbarkeiten des Konjunktivs, die das Modell bietet, können – nicht zuletzt beim Künstler selbst – natürlich auch ein Gefühl mangelnder Verbindlichkeit oder mangelnden Kontakts zum Leben entstehen lassen. Schon 1987 gibt es so einen temporären Test in Form einer frei im Park stehenden Bar auf der documenta. Mit den verschiedenen One Man Houses seit 2003 in immer detaillierteren Versionen bis hin zur Ausführung im Maßstab 1:1 betritt Schütte schließlich das Feld der realen Architektur. Es ist nicht unwichtig festzuhalten, dass das auf Grund glücklicher Umstände geschieht und nicht als Ergebnis eines planmäßigen Vorhabens. Kurz gesagt stand am Anfang nicht der Auftrag eines Bauherrn für ein Haus, sondern die Anregung seiner Phantasie durch ein Kunstwerk in Modellform. Mit diesem Wechsel in die Praxis des Entwerfens und Bauens wird der Künstler jedoch nicht zum Architekten im üblichen Sinn. Er selbst spricht untertreibend von einem Hobby und hält sich als Bilderlieferant und Ideengeber eher im Hintergrund, greift nur dann, wenn es ihm notwendig erscheint, in das weitere Geschehen ein. Schütte war eigentlich immer ein Künstler ohne eigenes Atelier. Jenseits des Zeichnens, Aquarellierens und Modellierens kleiner Figurinen „am Küchentisch“ sucht er verschiedene professionelle Werkstätten auf, um im engen Wechselspiel mit den dortigen Handwerkern seine Arbeiten zu entwickeln. Das ist bei seinen „realen“ Häusern verständlicherweise noch mehr der Fall. Die umfangreiche Hilfe von Architekten, Statikern, Technikern und Bauhandwerkern – nicht zu vergessen den Bauherrn – ist essentiell. Sie sind jedoch nicht nur Werkzeuge seiner künstlerischen Absicht, sondern ebenso notwendige wie gewünschte Kollaborateure. Bei einem Objekt wie dem Ferienhaus T gibt es viele und in der Summe durchaus den Gesamteindruck mitbestimmende Vorschläge und Entscheidungen, die von diesen Partnern ausgehen. Hier ist ein kalkuliertes, partielles Delegationsprinzip am Werk, das die Visionen-Albträume-Erfindungen des Künstlers und die gewünschte Verankerung in der Realität gegeneinander ausbalancieren. Um ein Beispiel zu nennen: Wie sollte die im Modell als riesige, farbige Glasscheiben vorstellbare Außenhaut des Ferienhaus T realisiert werden? Die Herstellung entsprechender Dreifach-Gläser verbot sich aus technischen, ökonomischen und benutzerpraktischen Gründen. Ein Versuch mit farbigen Folien sah genau danach aus: ein billiger Ersatz eben. Die Lösung waren farbige Vorhänge, wobei da und dort auch weiße Vorhänge ganz nach Notwendigkeit oder Stimmung an unterschiedlichen Stellen zugezogen werden können. Die Idee stammte von den Bauherrn ebenso wie die Verkleidung von Sockel und Dachkante mit Kupfer.

Neun Schritte vom Eingang bis zur Sitzgruppe, sieben Schritte vom Kamin bis zum Bett, acht Schritte vom Bett bis zur Küche, sechzehn Schritte vom Bett bis zum Bad und vierundzwanzig Schritte einmal längst durch das ganze Haus vom Essplatz bis zur Toilette. Das sind die Dimensionen eines mittelgroßen Hauses. Aus diesen Wegbeschreibungen wird aber auch deutlich, dass die Optimierung der Alltagsabläufe bei der Planung des Grundrisses nicht das alleinige Kriterium war. Der Grundriss hat sich nicht etwa aus den gewünschten Funktionen, dem Zuschnitt des Grundstücks oder einer imperativen ästhetischen Vision entwickelt, sondern aus einem Fundstück. Jeder Bastler weiß das zu nutzen, was sich ihm gerade anbietet, und in diesem Fall stand am Anfang ein schon zugeschnittenes Trittbrett für eine Wendeltreppe. Das langgezogene, unregelmäßige Fünfeck hat alle Charakteristika eines Reststücks, das übrig bleibt, wenn die eigentliche Arbeit getan ist. Es bildet seit den ersten Modellen im Maßstab 1:20 das eine dominante Formelement des Konzeptes. Das andere ist der in die Diagonale gestellte Kamin. Ein drittes ist die Art der Aufsockelung des Gebäudes, das seine Herkunft aus einer eher provisorischen Architektur auf nicht vollends gesichertem Grund andeutet. Aber vorerst zurück zur inneren Organisation. In die Großform sind freistehend zwei gliedernde Elemente eingestellt: der massive Kamin und eine quer stehende, rautenähnliche Wand. Sie trennen und verbinden die drei Bereiche Eingang/Bad/Technik, Wohnraum/Schlafraum und Küche/Essbereich. Zugleich bringen die beiden Betonelemente eine präzise lineare Ausrichtung in die Unregelmäßigkeit des äußeren Umrisses des Hauses. Wand und Kamin sind frontal aufeinander bezogen, was allerdings erst im Grundriss und weniger im Erlebnis des Raumes selbst in den Vordergrund rückt. Es sei denn beim Aufwachen am Morgen, wenn der Blick als erstes auf die durchaus brutalistischen Formen des Kaminturms und seiner Feuerstelle vis-a-vis fällt – bevor man sich zu den Lichtspielen in den Vorhängen oder dem Ausblick in die Natur umdrehen mag. Dort im Bett mit Blick auf den Kamin und den spitz zulaufenden Raum mit seinen gläsernen Wänden, dem hölzernen Boden und der hölzernen Decke ist auch das Gefühl, sich auf einem Schiff zu befinden, am stärksten. Captain of the ship, aber wo geht es hin, hier versteckt in den Bergen? Später, wenn man um das Haus herum geht und an seiner schmalsten Seite nach oben blickt, kommt ein weiteres Dampfermotiv ins Spiel: die diversen Auslässe des Kamins, vollständig mit Kupfer verkleidet wie die Dachkante, der Sims unterhalb der Fensterwände und der zweifach zurückspringende Sockel. Das Bild des Schiffs tauchte in der Architektur der Moderne immer wieder einmal auf. Damals schien es auf große Fahrt zu gehen. Leinen los! auch für die an den Boden gefesselte Architektur, die Weite der Zukunft und das Versprechen des Horizonts fest im Blick. Im Ferienhaus T streift man solche Bildfragmente der Freiheit nur; ihnen antworten Elemente der Distanz, mitunter der fast trotzigen Beharrung. Das wird nicht zuletzt deutlich, wenn man alle Vorhänge öffnet und das Haus seinen Charakter als ringsum verglaster Bungalow vollends enthüllt. Ganz anders aber als berühmte Vorläufer wie etwa das Farnsworth House (1951) von Ludwig Mies van der Rohe gibt es keine allmähliche Vermittlung zwischen innen und außen. Der etwa 80 cm hohe Sockel, der breite Sims und die zahlreichen Holzstützen im Innern setzen das Haus von seiner Umgebung vielmehr deutlich ab. Die Umgebung erscheint als Bild auf Abstand, auch und gerade dort, wo an einer Seite die Felswand bis auf zwei, drei Meter heran rückt. Das Gleiche gilt für die umgekehrte Blickrichtung. Hier ist es besonders der Sockel, der mit seiner kräftigen, zurückweichenden Abtreppung das Haus von seinem Umfeld absetzt und beinahe zu einem Fremdkörper zu machen scheint. Steigt man auf den Hang oberhalb der Felswand und blickt hinunter, lässt sich diese Fremdheit genauer fassen: Das Haus erscheint wie eine Skulptur in der Landschaft zu stehen, ein mit ihr verbundenes, aber dennoch autonomes Objekt.

Wie ein Echo dieser parataktischen Koexistenz wirken auch die Betonelemente im von Holz, Stoff und Ausblicken geprägten Innern. Es sind skulpturale Formen par excellence und so, wie sie in den Raum schneiden, könnte man sie für Reststücke viel größerer, für ganz andere Zwecke entworfener Bauten halten. Sie erinnern an eine Formsprache, die sich in Schüttes Architekturmodellen und -zeichnungen häufig findet, und die man als eine Mischung von Sprödigkeit und Monumentalität bezeichnen könnte. Die Sprödigkeit mag einerseits ein Reflex auf die Allerweltsarchitektur seiner Jugendzeit in den 1950er und 1960er Jahren sein, andererseits ist sie einer bewusst unkünstlerischen, pragmatischen, bastlerischen Haltung geschuldet. Die Monumentalität wiederum ist, in ihrer fast nachlässigen Form, ein rhetorisches Mittel, die Suggestivität und Dramatik der so entworfenen Geschichten zu steigern. In den Betonelementen des Ferienhaus T erscheint dieses Vokabular in sozusagen sublimierter, in das praktische, private Leben an diesem Ort eingebetteter Form. Und dennoch wird auch hier der Blick immer wieder auf die Feuerstelle gelenkt, eine jener etwas unheimlichen Öffnungen, die sich in den Baugedanken Schüttes so häufig finden, nicht zuletzt in seinem Modell für ein Museum, das als Verbrennungsofen für die Kunst zu funktionieren scheint.

Welche Art des Aufenthalts ist in diesem Haus möglich und angemessen, denn das ist ja ein wesentliches Kriterium, wenn jemand wie Schütte aus der Modellsphäre in die der Realarchitektur übergeht? Schon bei der Anordnung der einzelnen Funktionen wurde deutlich, dass es nicht um reibungslose Abläufe, um die Organisation des Alltags geht, sondern um ein Gesamterlebnis. Das heißt nicht, dass z. B. die Ineinanderschachtelung von Bad, Heiztherme und Schrank im engsten Teil des Hauses nicht höchst effizient wäre. Durchgängig herrscht jedoch bei aller Präzision und Eleganz im Detail eine gewisse Beschränkung auf das Notwendige – für eine oder maximal zwei Personen. Um die verhaltene Großzügigkeit des Raumes zu gewährleisten, bleibt die Ausrüstung und Möblierung sparsam. Ein Fernseher wäre wohl schon des Üblichen zu viel, eine regelrechte Bibliothek ebenso. Und eigentlich ist dies auch nicht der Ort, um größere Feste mit vielen Personen zu feiern. Genügsamkeit auf gehobenem Niveau, die Ahnung einer gewissen einsiedlerischen Autarkie auf Zeit scheinen dem Haus angemessen. Der Kamin als quasi-mythischer Meditationsort ist kein schlechtes Bild dafür. Diese Grundhaltung teilt das Ferienhaus T mit den One Man Houses, jedoch in einer offeneren, sozusagen sozialeren Form. Dort ist ein gewisser Abschluss von der Welt deutlicher. Die Ein-Mann-Eremitagen funktionieren wie selbstgenügsame Rückzugsmaschinen, und auch die wenigen prononcierten Öffnungen sind eher Hochsitze der distanzierten Beobachtung als der Kontaktaufnahme. Nicht von ungefähr ist von Männern und nicht etwa Personen oder gar Frauen die Rede. Zugespitzt könnte man von generischen Portraits männlicher Befindlichkeiten in der Gegenwart sprechen. Bei dem bislang realisierten One Man House sind diese strengen und auch ein wenig polemischen Züge etwas gemildert. Es entpuppt sich als Gartenpavillon für den nur zeitweisen Rückzug für wenige Stunden und stellt sich so in die Tradition der architectural follies, die das Kleine Andere in der Nähe der Natur suchen. Die „reale Benutzbarkeit“ ist dort mehr „Vorstellung“ als vollendete Realität, wodurch noch das gebaute Haus „mit der konzeptuellen Qualität des Modells imprägniert“ ist, wie Ulrich Loock meint. 

Ferienhaus T scheint da noch einen Schritt weiter zu gehen. Es ist nicht nur geschmeidiger und pragmatischer, sondern auch kommunikativer – ohne das Element anspruchsvoller Beschränkung aufzugeben. Das latente Bewusstsein, sich dort nur teilweise in einem realen Gebäude zu befinden und gleichzeitig Teil eines Modells im Sinn einer Versuchsanordnung zu sein, bleibt jedoch zumindest an den Rändern der Wahrnehmung erhalten. Ferienhaus T ist vielleicht weniger eine Architektur als ein „objet d’architecture“, wobei mit dieser Wortbildung angedeutet wird, dass es einerseits zur Praxis des Bauens gehört, andererseits aber auch etwas außerhalb von ihr steht, dass es nicht nur benutzt, sondern wesentlich auch betrachtet und bedacht sein will. Die „Imprägnierung“ mit Eigenschaften des Modells liegt letztlich vielleicht in der Ungewissheit darüber, was man an diesem Ort eigentlich tun soll, da eine klare Funktionalität in den Hintergrund gerückt ist. Das beiläufige Experiment eines Aufenthalts in diesem Haus gleicht so in der Tat dem schwer zu bestimmenden Zustand der Ferien. Durch Nichtstun Raum für andere Gedanken und Einstellungen ermöglichen. Oder: Ein Haus der Muße, also ein Ort der Gelegenheit und der freien Zeit, etwas zu tun, ein Haus frei von und frei für...

In dem Satz aus einem Gespräch mit Thomas Schütte, der hier vorangestellt ist, braucht man nur den See gegen die Bäume oder den Fels auszutauschen, dann gilt er auch für das Ferienhaus T. Die Bilder, die einen anraunzen und nervös machen, das dürfte nicht zuletzt die zeitgenössische Kunst sein. Ihrem „Terror“ und dem Lärm um sie herum zumindest gelegentlich, ferienweise ausweichen zu können, ist nicht ein Bedürfnis, das in den Bereich persönlicher Schwächen gehört, über die man besser nicht redet. Notwendigkeit bedeutet hier vielmehr Anerkennung des ganzen Menschen und Zweck Bewusstsein für eine Verantwortung als Künstler. Mit Idylle im Sinn eines falschen, sich selbst betäubenden Bewusstseins hat das nichts zu tun. Eine kokette Übertreibung, um den Umgang mit diesen Häusern auf eine falsche Fährte zu locken, ist es ebenso wenig. So wie Schüttes intensive Hinwendung zur menschlichen Figur, besonders in seinen Frauen, nie eine Hingabe an oder ein Spiel mit traditionellen Vorbildern ist oder nur eigene Befindlichkeit transportiert, steckt auch in Ferienhaus T bei aller erstrebten oder gar therapeutischen Ruhe eine eigentümliche, sublime Form von Widerstand gegen die Akzeptanz des status quo. Das Ferien-Haus führt die andere, die irritierende Welt und ihre Herausforderungen und Widersprüche gleichsam subkutan mit sich. Sosehr der Blick ungehindert ins Freie geht oder sich in den leicht träumerischen Farben des Innern mit dem Leben in seiner einfacheren Form begnügt, auch in diesem durchgeführten Modell bleibt etwas von seinem ursprünglichen Eigensinn. So fest das Ferienhaus T am Hang steht, es könnte auch anders sein, könnte von anderen Geschichten als der jetzt hier erzählen. Nach ein paar Tagen sollte man seine Koffer packen, die Vorhänge zuziehen, die Tür abschließen und fortgehen, damit das Haus bei anderer Gelegenheit die Chance hat, einem wieder mit genügender Fremdheit zu begegnen – für eine neue Feriengeschichte.


(Published in: Thomas Schütte - Ferienhaus T, ed. by Rafael and Teresa Jablonka, 2014, pp. 38-47 (German), pp. 48-57 (English))